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Herr B. erläuterte mir in einem vertraulichen Gespräch, dass er sich bereits seit geraumer Zeit mit dem Thema der eigenen Bestattung beschäftigt. Er fühlt sich bei dem Gedanken wohler, dass dieses sensible Thema bereits zu seinen Lebzeiten geregelt ist. Dazu gehört neben der Gestaltung der Trauerfeier auch die Gestaltung eines Grabmals. Diesbezüglich hat er mich angesprochen. Es soll ein Gemeinschaftsgrabmal für ihn und seine Frau sein. Wichtig ist ihm, dass das vorhandene Relief von dem Bildhauer Josef Blaschke aus Oberammergau in dieses Grabmal eingearbeitet wird. Bei diesem Werk handelt es sich um ein mit Blattsilber überzogenes, geschnitztes Holzrelief hoher künstlerischer Qualität. Dargestellt ist die Ölbergszene. Die Ölbergszene stellt figürlich die biblische Szene dar, wie Jesus zusammen mit seinen Jüngern in der Nacht vor seiner Kreuzigung im Garten Gethsemane betet. So wie ich es in unserem Gespräch verstanden habe und der Skizze von Herrn Blaschke nach zu urteilen soll das Relief im Mittelpunkt der Grabmalgestaltung stehen. Hinzu kommen natürlich die entsprechenden Angaben des jeweiligen Verstorbenen sowie ein noch auszuwählender Text. Überlegungen Die Ausführungen von Herrn Blaschke zu diesem Thema haben mich beeindruckt. Es ist eine besondere Aufgabe, ein Grabmal für Lebende zu entwerfen. Ganz abgesehen von den zwangsläufig aufkommenden Fragestellungen der tatsächlichen zeitlichen Fertigung des Werks, der Honorierung etc. Ich habe die Eheleute B. als sehr kunstinteressierte und religiöse Menschen kennengelernt. Ich möchte diese Aufgabe in erster Linie rein künstlerisch betrachten. Mein Vorschlag wäre, eine Skulptur zu erschaffen, die durchaus eine religiöse Ausstrahlung hat, jedoch als eigenständiges Kunstwerk bereits hier und jetzt funktioniert und hergestellt und an einem noch zu wählenden Ort aufgestellt werden kann. Meine Idee ist eine Stele, mit dem erwähnten Relief als Mittelpunkt. Stelen werden bereits seit der griechischen Antike verwendet und waren häufig mit Reliefs bestimmter Szenen verziert. In der zeitgenössischen Kunst werden Stelen häufig als ästhetisches Ausdrucksmittel verwandt. Diese nun neue Stele stelle ich mir streng geometrisch vor. Sie besteht aus 5 einzelnen Kuben und ist hergestellt aus Metall welches entweder von mir handwerklich mit einer Flüssigbronze überzogen wird. Das Relief wird zurückversetzt in den Mittelpunkt der Stele eingefügt so dass es einen Witterungsschutz erhält und gleichzeitig mit einer Schattenfuge eingerahmt ist. Die einzelnen Kuben werden diagonal geteilt und in jeweils ein offenes Dreieck werden von Hand geschnittene und übereinander geschichtete Glasplatten eingefügt. Das eintreffende Sonnenlicht lässt grünliche Lichtreflexe wirkungsvoll entstehen. Diese so geschaffene, stark präsente aber gleichzeitig stille Skulptur kann schließlich durch wenige Arbeiten (Umbau einzelner Kuben, Anbringung der Schriften) zu einem würdevollen, religiös-ausdrucksstarken und atmosphärisch-zeitlosen kreuzförmigen Grabmal umgebaut werden. Glas ist wegen seiner Transparenz ein Symbol des Lichts. Licht wiederrum ist eine allgegenwärtige Erscheinung die uns in ihrer Wirkung vertraut, in ihrem Wesen aber für uns weitgehend nicht fassbar ist. Von daher ist Licht ein bevorzugtes Symbol für Immaterialität, Geist und Gott. Aber auch für Glück. Glas habe ich aber auch gewählt, weil im Hause Blaschke diverse glaskünstlerische Arbeiten vorhanden sind und ich eine gewisse Affinität zum diesem Material bei ihnen gespürt habe. Herr Blaschke hat den Entwurf als stimmig empfunden. Die Idee, das Grabmal in erster Linie als skulpturales Kunstwerk zu verstehen und zu erstellen fand er als Idee gelungen. Hinsichtlich eines Aufstellortes für die Stele wollte er sich Gedanken machen, könnte sich aber einen Platz hinter dem Haus vorstellen. Nach Fertigstellung wurde die Stele an dem ausgewählten Standort hinter dem Haus im Garten aufgestellt. Zwischenzeitlich ist Frau B. verstorben und die Stele wurde wie geplant zu einem Grabkreuz umgebaut und auf der Grabstätte aufgestellt.

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